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Thema
12/09/2016

Geschichte in Köln 63: Ein Editorial

Aufmerksame Leserinnen und Leser von »Geschichte in Köln« (GiK) werden, wenn sie den 63. Band der Zeitschrift aufschlagen, gleich auf der Titelseite und im Impressum Änderungen feststellen: Der Beirat der Zeitschrift ist nicht mehr aufgeführt; hingegen hat sich die Zahl der Herausgeber vermehrt.

Der Beirat von »Geschichte in Köln« hat sich aufgelöst. 1985 gegründet, nannte sich der Beirat seinerzeit »beratendes Gremium«. Damals hatte die Zeitschrift noch sehr viel stärker den Charakter einer als »studentische Zeitschrift am Historischen Seminar« gegründetes Organ, wie es lange im Untertitel hieß, was die Existenz eines beratenden Gremiums durchaus sinnvoll erscheinen ließ. Da GiK sich aber deutlich inhaltlich wie äußerlich weiterentwickelt hat und heute ein eigenständiges Profil als Fachzeitschrift besitzt, war der Beirat schon seit längerem nicht mehr nötig. Für sein langjähriges Engagement möchten sich die Herausgeber an dieser Stelle ausdrücklich bedanken! Wir haben die so artikulierte Wertschätzung unserer Arbeit und des Produktes immer als wichtige Motivation verstanden – und hoffen auf bleibende Verbundenheit der bisherigen Beiratsmitglieder mit der Zeitschrift »Geschichte in Köln«.

Nur mittelbar hat die Auflösung des Beirates mit einer weiteren Änderung zu tun, der Erweiterung des Herausgeberkreises. Dafür waren mehrere Gründe ausschlaggebend – so etwa der gestiegene Aufwand für die Produktion der Zeitschrift. Weiterhin gilt es, eine Internetpräsenz zu betreuen und aktuell zu halten oder zusätzliche Mittel einzuwerben, durch welche die Herausgabe der Zeitschrift überhaupt erst möglich wird. Sodann soll »Geschichte in Köln« auch weiterhin in der kölnischen und rheinischen Forschungslandschaft verankert sein, wozu die drei neuen Mitherausgeber maßgeblich beitragen werden. Schließlich sind alle drei seit mehreren Jahren nicht nur Autoren und Rezensenten der Zeitschrift, sondern haben ihrerseits manchen Beitrag vermittelt, der in unserer Zeitschrift erschienen ist. So heißen die bisherigen Herausgeber in ihrem Kreise herzlich willkommen die Herren Dr. Christian Hillen, Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln, Stefan Lewejohann, Kölnisches Stadtmuseum und Dr. Michael Kaiser, Max-Weber-Stiftung, Bonn. Wie schon bei den vergangenen Ausgaben von »Geschichte in Köln« zeichnen je drei Mitglieder des Herausgeberkreises für den jeweiligen Band als Bandherausgeber verantwortlich.

Die Herausgeber hoffen auch mit Band 63 der GiK, wie die Zeitschrift allgemein genannt wird, wieder ein spannendes und interessantes Panorama von aktuellen Forschungen zur Kölner Stadt- und Regionalgeschichte vorgelegt zu haben. Den Auftakt des aktuellen Bandes bildet ein Aufsatz aus studentischer Feder, die dem nach wie vor aktuellen Ansatz der Zeitschrift Rechnung trägt, gute akademische Abschlussarbeiten wenigstens in den wichtigeren Teilen zu veröffentlichen. Britta Hermans beschäftigt sich mit der vom Benediktinermönch Ruotger im 10. Jahrhundert verfassten Vita des hl. Bruno (953–965), einem der bedeutendsten Kölner Erzbischöfe. Nachdem die historische Forschung der letzten 25 Jahre sich mit diesem wichtigen Text nicht mehr auseinandergesetzt hat, vergleich Hermans die Vita des Ruotgers mit anderen Bischofsviten und kann so eine neue Einordnung vornehmen.

Schon seit längerer Zeit wurde nichts mehr zu Erzbischof Anno II. von Köln publiziert, was den Beitrag von Gerhard-Peter Handschuh schon aus diesem Grund geboten erscheinen ließ. Darüber hinaus gelingt es Handschuh dem sogenannten »Staatsstreich von Kaiserswerth« einige neue Aspekte abzugewinnen, die sich der wissenschaftlichen Diskussion nun zu stellen haben.

Die Beiträge von Stefan Pätzold sowie von Letha Böhringer und Joachim Oepen sind aus der Tagung „Drei Könige Reloaded“ hervorgegangen, die der Förderverein Geschichte in Köln im Juli 2015 im Nachgang zum 2014 begangenen 850-jährigen Translationsjubiläum der Reliquien veranstaltet hatte. Stefan Pätzold beschäftigt sich mit dem Erzbischof, dem Köln die Gebeine der Heiligen Drei Könige verdankt und untersucht in seinem Beitrag die verschiedenen politischen Rollen Rainalds von Dassel sowie die damit einhergehenden unterschiedlichen Deutungen und Wertungen der politischen Person des Erzbischofs, des kaiserlichen Berater und Erzkanzlers Italiens zwischen Kaiser, Papst und Erzbistum Köln.

Letha Böhringer und Joachim Oepen setzen sich kritisch mit der Frage auseinander, ob der Kölner Erzbischof Rainald von Dassel als „Erfinder“ der Dreikönigsreliquien und damit als Fälscher gelten kann. Dabei werden insbesondere Forschungen des amerikanischen Historikers Richard Geary rezipiert, die in der deutschsprachigen Forschung bislang weitgehend unberücksichtigt blieben, aber auch die materiellen Quellen in den Blick genommen.
     
Wolfgang Schmid unternimmt eine Tour d’Horizon durch die rheinische Kultlandschaft im 11./12. Jahrhundert und macht damit deutlich, welchen Gewinn ein solcher vergleichender Ansatz erbringt. So wird deutlich, wie sich in der Zeit von 1035 bis 1196 eine Trierer und Kölner Kultlandschaft wesentlich formiert, die religiöses und kirchliches Leben für viele Jahrhunderte und teilweise bis heute prägt. Damit geht es um Entwicklungen, die von großer Nachhaltigkeit waren. Eingebettet in das Gesamtbild ergeben sich zudem deutliche Akzentverschiebungen  zu bisherigen Annahmen. So erscheint beispielswiese die Etablierung des Dreikönigenkultes nach der spektakulären Translation der Reliquien von Mailand nach Köln (1164) gar nicht mehr so exzeptionell, sondern als eine Reaktion auf eine starke Konkurrenz anderer neuer Kulte.

Simon Ebert untersucht in seinem Beitrag die Hintergründe des Presseprozesses, der im Frühjahr 1914 gegen den Sozialdemokraten Wilhelm Sollmann in Köln geführt wurde. Der dabei aufgedeckte Skandal der Annahmen von Geschenken und anderen Vergünstigungen durch Beamte der Kölner Polizei wurde durch die mediale Berichterstattung über den Prozess zu einem reichsweit wahrgenommenen Ereignis. Der Autor fragt dabei auch nach der Bedeutung, die solche Skandale für die öffentlichen Artikulationsmöglichkeiten der oppositionellen Sozialdemokratie im späten Kaiserreich hatten.

Der Beitrag von Stephanie Kaiser und Jens Lohmeier liegt ganz in der Tendenz der jüngeren Forschung, nach der Verstrickung von Personen und Institutionen mit dem NS-Regime zu fragen. Dabei geht es konkret um das Anatomische Institut der Kölner Universität. Die Autoren können aufzeigen, dass auch die Kölner Anatomen mit dem Regime zusammenarbeiteten, was sich vor allem in immer größeren Zahlen von Leichen von NS-Opfern niederschlägt, die für die anatomische Lehre und Forschung zur Verfügung standen.
 
Äußerer Anlass des Beitrags von Josef van Elten über die Silvesterpredigt 1946 des Kölner Erzbischofs, Kardinal Frings, ist deren 70. Jahrestag. Mit der Bildung des Wortes »Fringsen«, womit man den Diebstahl von Hausbrand und Lebensmitteln bezeichnete und auch rechtfertigte, hat diese Predigt eine Wirkung erzielt, wie sie solchen Ansprachen ausgesprochen selten zuteil wird. Neben einer genaueren Analyse der Lage der Bevölkerung zum Zeitpunkt der Predigt widmet sich van Elten insbesondere den Inhalten der Predigt und vergleicht das erhaltene handschriftliche Manuskript von Frings mit späteren Druckausgaben, wobei er einige bemerkenswerte Abweichungen feststellen kann.

Cederic Bierganns greift in seinem Aufsatz ein Thema auf, das in den frühen 1980er Jahren die ganze Bundesrepublik beschäftigte. Quellengestützt geht er der Frage nach, wie weit das Amerikahaus als Institution der Kulturvermittlung mit dem Thema Nachrüstung und NATO-Doppelbeschluss in die Kölner Stadtgesellschaft hineinwirken konnte; ein bisher unbeachtet gebliebener Aspekt der Kölner Geschichte.

Thomas Roth skizziert in seiner Miszelle über die Gestapo Köln ein neues wichtiges Forschungsprojekt des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln und Christine Gundermann stellt schließlich den neueingerichteten Studiengang Public History an der Universität zu Köln vor. Wie immer beschließen Buchbesprechungen das redaktionelle Programm der GiK.

Damit legen die Herausgeber den 63. Band von »Geschichte in Köln« in die Hände ihrer Leser und wünschen eine anregende und interessante Lektüre.

Die Herausgeber von »Geschichte in Köln«: Thomas Deres, Christian Hillen, Michael Kaiser, Martin Kröger, Stefan Lewejohann, Georg Mölich, Joachim Oepen, Wolfgang Rosen, Lars Wirtler, Stefan Wunsch